Corona und die Lüge der Chancengleichheit

Oft verbinden wir einen Schulausfall mit Freude, Ausgelassenheit und einer Aussicht auf eine erholsame Freizeit. In diesem Jahr sehen sich jedoch viele Menschen vor größeren Problemen als der Gestaltung ihrer Freizeit. Die sogenannte Corona-Krise schneidet tief in unser aller Leben ein und trifft dadurch nicht zuletzt auch das Schulsystem. Der komplette Umfang der Folgen ist bisher nicht absehbar, daher ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, uns mit den Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Schulsystem auseinanderzusetzen. Was jedoch bereits feststeht, ist: Die Corona-Krise entlarvt die Lüge der Chancengleichheit in deutschen Schule wie nie zuvor!

Das Aussetzen des physischen Unterrichts in den Schulen und die damit verbundenen Pläne von Bund und Ländern auf Onlineunterricht umzusteigen zeigen in aller Deutlichkeit die Auswirkungen eines ungleichen Zugangs zu Bildung und damit die ungleiche Chance auf dem späteren Berufsmarkt. Der Klassenkampf von oben beginnt bereits in der Schule!

Als Schüler*innen in Göttingen haben auch wir negative Erfahrungen gemacht und problematische Tendenzen beobachten können: Es gibt Schulen, die bereits kurz nach der Schließung aller niedersächsischen Schulen, ein ausgearbeitetes Konzept hatten, um weiter Lerninhalte über Onlineunterricht zu vermitteln. Schüler*innen auf Schulen mit weniger Ressourcen und finanziellen Möglichkeiten hatten meist weniger Glück. Nicht alle verfügten über iPad-Klassen und konnten ausgiebigen Informatikunterricht als Vorbereitung auf die Krise genießen. Gerade bei vielen Abiturient*innen machte sich ein Gefühl der Ohnmacht breit. Man war angewiesen auf die Motivation und die Technikkompetenzen seiner Lehrkraft. Die Schule, die man besucht, ist die erste Voraussetzung, ob man durch die Corona-Krise profitiert oder in den Wettkampf des Berufslebens als Verlierer gehen muss.

Der Zugang zu Technik ist die zweite Große Gefahr des Onlineunterrichts in Zeiten von Corona. Auch hier zeichnet sich ein klares Bild ab. Was uns bereits allen klar war, wird nun deutlicher denn je. Die Möglichkeiten des Elternhauses entscheiden über die Zukunft und nicht in erster Linie die individuelle Leistung, wie es uns das System verspricht. Es kann schon an der Verfügbarkeit von Internetanschlüssen oder Laptops scheitern. Selbst wenn ein Router vorhanden ist werden sie häufig von mehreren Personen genutzt, denn auch viele berufstätige Eltern müssen zurzeit im Home Office schuften. Die Zuschüsse von Bund und Länder sind ein äußerst schwacher Versuch dem Problem etwas entgegenzusetzen und daher mehr als Symbolpolitik zu verstehen, als ein Versuch, Probleme konsequent anzupacken.

Nicht nur der unterschiedliche Zugang zu Technik, sondern auch die individuelle Situation der Schüler*innen brachte viele Familien in eine missliche Lage. Sind meine Eltern selbst werktätig? Habe ich Geschwister? Können meine Eltern externe Unterstützung finanzieren? Es hängt von unzähligen Faktoren ab, ob und wenn ja, in welcher Weise die Eltern Unterstützung leisten können.

Schüler*innen ohne wohlhabende Eltern und dem Zugang zu neuester Technik haben mit der sozialen Ächtung zu kämpfen, die an einer weit verbreiteten Abneigung mit einem latenten Hass auf die untere Klasse verbunden ist. Ideologisch hat sich dies auch in der Institution Schule verfestigt. Der Klassismus muss als solcher benannt werden, damit ihm konsequent entgegen getreten werden kann. Seid aufmerksam und solidarisch!

Neben der Faschisierung durch die AfD und CDU, dem Rassismus in der Dominanzgesellschaft und dem Staat, sowie der unbändigen Zerstörung von Umwelt und Klima, gefährdet nun auch die Schul-Krise in Zeiten von Corona unsere Zukunft. Wieder einmal wird dabei über unsere Köpfe hinweg geredet, ohne, dass wir selbst aktiv am Diskurs teilnehmen und die Umsetzung mitgestalten können.

Doch wir sagen: Nicht mit uns! Wir wollen unsere Zukunft wieder selbst in die Hand nehmen. Wir wissen, dass die derzeitigen Probleme in der Schule ein Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Ungerechtigkeit sind. Die kapitalistische Schere von Arm und Reich durchschneidet uns bereits in der Schule, gerade in Zeiten wie diesen. Sich dieses Problem vor Augen zu führen ist der erste Schritt auf einem langen Weg in eine selbstbestimmte und befreite Zukunft. Organisiert euch, um eurer Wut gemeinsam Ausdruck zu verleihen! Bildet an euren Schulen Anlaufstellen und beratet euch, wie ihr selbst den Schulalltag in Zeiten von Corona gestalten wollt. Eure Stimme ist es Wert gehört zu werden.

Zurzeit kann die Theke der Antifa Jugend leider nicht stattfinden, doch sobald es wieder möglich und verantwortungsvoll ist, laden wir euch ein, uns bei der Theke zu besuchen. Wir wollen gemeinsam die Zeit reflektieren und so in Zukunft vorbereitet sein eine Gegenmacht aufzubauen!